Šiaurės panevėžiškių (Rozalimo šnektos) balsių sistema

Aleksas Girdenis, Gertrūda Židonytė

Anotacija


DAS VOKALSYSTEM DES DIALEKTS VON NORD-PANEVĖŽYS (Mundart von Rozalìmas)

Zusammenfassung

1. Das vokalische Phonemsystem der Mundart von Rozalimas des nördlichen Panevėžys-Dialekts (šiáurės panevėžìškių tarmė̃) der Ost-Aukštaiten (Bezirk Pakruojis) setzt sich aus folgenden Phonemen zusammen:

/i̇·

i

u

ie

 

uo

 

 

e̤·

<ẹ>

<ọ>

(e·)

e

a/

Alle Diphthonge (mit Ausnahne von Polyphthongen [ie, uo], die als Langvokale zu betrachten sind) stellen tautosyllabische Verbindungen der Art V+R (Vokal + Sonorkonsonant) dar. Die Vokale <ẹ, ọ> sind peripher, denn sie treten ausschließlich in den neu aufgenommenen Wörtern dieser Mundart – meistens in Fremdwörtern – auf.

Das Inventar der Vokalphoneme ist mit dem der Schriftsprache und der meisten Mundarten der Wcst-Aukštaiten identisch, jedoch weisen die funktionellen Beziehungen der Phoneme und die antropophonischen Eigenschaften mancher Allophone wesentliche Unterschiede auf.

2.1. Die unter dem Einfluß des Akzents gedehnten [a, e] erscheinen in diesem Dialekt (das trifft wohl für das Litauische im allgemeinen zu) nicht als lange, sondern als halblange Vokale, Varianten von entsprechenden kurzen Phonemen. In gewissen Fällen stehen sie in einem Op­positionsverhältnis zu den echten Langvokalen [a·, e·] < *ā, (vgl. mē·ŝtь ~ mę̃sti „mischen, umrühren“ : mé.stь ~ mèsti „werfen“).

Insbesondere zeichnen sich die Vokale /i, u/ durch ihre vielfältigen Allophone aus: in einigen Fällen Werden sie durch „östliche“ halblange Vokale [i., u.], die den Langvokalen [i·, u·] sehr nahe kommen, repräsentiert, in anderen Fällen (in der sog. schwachbetonten Stellung) werden sie durch die Vokale [ẹ, (), ọ] vertreten, die vorwiegend in westlitauischen Mundarten enthalten sind, z. B. (jö̀s) ri̇.šъ ~ (jis) rìša „(er) bindet“ : (to) rẹ̀šь ~ (tu) rišì „(du) bindest“ : (aš) ȓö̀šъ ~ (aš) rišù „(ich) binde“. Der Wechsel der Allophone wird unter den Bedingungen der starken Flexionsreduktion zur gewissen inneren Flexion, vgl.: rö̀šъ ~ (aš) rišù „(ich) binde“ : rí.šъ ~ (jis, ji) rìša „(er, sie) bindet“, skọ̀tъ ~ (aš) skutù „(ich) schäle“ : skù.tъ ~ (jis, ji) skùta „(er, sie) schält“.

2.2. In den unbetonten Stammsilben erfolgt die Aufhebung der quantitativen und qualitativen Gegensätze von Vokalphonemen mit dem nichtniedrigen Hebungsgrad (der geschlossenen Vokale) – hier fungieren nur Archiphoneme /I/ <– (/i, e̤·, ie, i·/), /U/ (<– /u, o·, uo, u·/) und (in der Stellung nach Konsonanten) - /A/ (<– /a, e, a·, e·/), wobei die Vokale [i (ẹ)], [u (ọ)], [a] / [e (æ)] als Archiphonemvertreter dienen. Solche Archaismen wie z. B. liēžь ~ liẽžia „(er, sie) leckt (aus)“ : lež̑u̇.vьs̑ ~ liež(i)ùvis „Zunge“, ó·žałъs ~ ąžuolas „Eiche“ zeugen davon, daß das typisch östliche Modell, wo [e, a] in schwachen (unbetonten) Positionen vielmehr größere Phonemklassen - /e, e·, ie, e̤·/ und /a, a·, uo, o·/ - zu vertreten hatten, durch die jetzige Neutralisierung ersetzt vorden ist.

2.3. In der unbetonten Flexion verlieren sämtliche qualitativen Merkmale von Kurzvokalen ihre phonologische Geltung. An deren Stelle tritt das Archiphonem / auf, wobei als seine Vertreter die Flüstervokale erscheinen: in der Nachbarschaft der sogenannten weichen (palatalisierten) Konsonanten – [ь] ~ [],[i]in der der harten – [ъ] ~ [ ɛ,ə], [ы].

2.4. Das System der Langvokale in der unbetonten Flexion hat den Verlust an einiger wichtiger Glieder erlitten. Besonders zu verzeichnen ist das Fehlen vom Vokal /i/:

/             u·

e̤·           o·

(e·)        a·/

Diese Phoneme werden meistens als kurze unreduzierte Vokale realisiert, die in der zusammen­hängenden Rede mit halblangen Vokalen fakultativ abwechseln können: /u·/ = [u] || [u.], /e·/ = [e] || [e.], /o·/ = [ọ] || [ọ.] usw.

3. Zur adäquaten Wiedergabe der realen Phonemverhältnisse bedürfen einige konventionelle distinktive Merkmale einer gewissen Modifikation. Beispielsweise ist das Merkmalspaar ’niedrig’– ‚nicht­niedrig’ durch die Distinktion ‚geschlossen’ – ʽoffen’ zu ersetzen, weil alle Phoneme mit dem nichtniedrigen Hebungsgrad gegenüber den Phonemen niedriger Zungenhebung (insbesondere /a/) merkmaltragend sind – sie haben immer positive Kennzeichnung. Die Merkmale ʽvorn’ – ʽhinten’ müssen auch relativ gewertet werden, weil sich sowohl die vorderen als auch die hinteren Phoneme auch durch Allophone der mittleren Reihe realisieren lassen (z. B.: /e̤·/ –> [ɛ·, ɛ., ɛ], /o·/ –> [o·, o., ọ, ö]). Im allgemeinen erweisen sich die distinktiven Merkmale gleich den Phonemen als durchaus relative sowie oppositionsbildende Elemente.

4. Im Artikel wird die Auffassung vertreten, das Vokalsystem des nördlichen Panevėžys-Dialekts ver­danke seine Entstehung den Prozessen, die infolge der Kreuzung von westlichem System mit zwei Län­genreihen (der West-Aukštaiten) und östlichem System eingetreten sind. Zugleich wird das Augenmerk auf den Standpunkt von A. Baranauskas (Baranowski) gelenkt, der dieses Dialekt für ein eigenartiges nordlitauisches Subdialekt hielt und dessen Abstammung nicht auf die Ost- sondern West-Aukštaiten zurückführte (vgl. Baranovskij, 1898,56, 77; Gerullis, 1930,55).


DOI: 10.15388/baltistica.29.2.285

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