К проблеме западнобалтийского субстрата в югозападной Литве

Bronys Savukynas

Anotacija


ZUM PROBLEM DES WESTBALTISCHEN SUBSTRATS IN SÜDWESTLITAUEN

(Zusammenfassung)

Vorliegender Beitrag setzt sich das Ziel, jatwingisches Namengut, das von einigen For­schern für spezifisch jatwingisch erklärt wird — also gewisse linguistische Erläuterungen von ON/GN, — unter dem Gesichtspunkt der Erforschung einer Sprache als System zu betrachten. Außerdem bemühen wir uns, die Tauglichkeit einiger Methoden für die Substratsforschung zu prüfen.

Wir versuchen die GN Bil̃sas und Dùlgas (die nach J. Otrębski gerade den slawischen Ur­formen von Appellativa bĕlesy und *dъlgъ bzw. *dьlgъ entsprechen sollen) etymologisch neu zu erklären, wobei die Beziehungen innerhalb des Systems der baltischen Hydronymie berück­sichtigt werden. Die Übereinstimmungen zwischen Bl̃tsas sowie Dùlgas und anderen GN im gemeinbaltischen Bereich erlauben zu folgern, daß diese beiden Bezeichnungen zum urbaltischen Stratum gehören und keine spezifisch jatwingischen Eigenschaften aufweisen.

Es wird bewiesen, daß der GN Bil̃sas in Ablautsbeziehungen zu den GN Bálsis, Bal̃sė und Bélzgis steht und von den Appellativa lit. bãlas, báltas, bal̃svas und balà bzw. belà etymolo­gisch ununterscheidbar ist.

Der GN Dùlgas ist u. E. etymologisch mit der baltischen hydronymischen Wurzel dul-verknüpft, die verschieden erweitert (dul-b-, dul-k, dul-v und dul-g-) und ebenfalls von den Appel­lativa lit. dū̃liava, dū̃lis, dul̃kas, dulvė́ti, let. duls, duļķains, duļķe ununterscheidbar ist. So stellt denn der GN Dúlgas keine Entsprechung der slaw. Appellativa *dъlgъ bzw. *dьlgъ dar.

Das Gesagte dient als Beweis dafür, daß die erwähnten GN keine jatwingisch-slawischen, sondern baltisch-slawische Isolexe zeigen.

Die Etymologien von den obigen und anderen (Alnà, Kirsnà) GN offenbaren die beschränk­te Tauglichkeit der lexikologischen Methoden für die Erforschung der Substrats-Superstrats-Beziehungen zwischen nahe verwandten Sprachen. Erfolgreicher scheint die Methode der pho­netischen Vergleichung zu sein. Nach ihr können die GN Per̃sas, Veisiẽjis, Zapsỹs, Zebrỹs, Zem̃brė, Zervýlios und Zervýnas dem Stratum der spezifisch jatwingischen Hydronymie zu­geteilt werden.

Jedoch scheint in unserem Falle diese Methode auch nur über begrenzte Möglichkeiten zu verfügen, weil die Lautbestände der Substrats- und Superstratssprache nur geringe Unterschiede aufweisen. Die dargelegten Umstände bringen es nahe, eine dritte Methode, nämlich die typolo-gisch-areale, anzuwenden.

Die im Südwestlitauen angetroffenen ON/GN mit dem Suffix -ing-is,-ė: Pilvìngis, Rū́singė, Stabìngis (nach K. Būga), Angerìngis, Apsìngis, Kačìngė, Kūliñgė, Nedìngis, Pašilingė̃, Saũsvingis und Suvìngis (nach dem Verfasser) stellen ein geschlossenes Areal dar, das an den Verbreitungsbereich der altpreußischen ON/GN von demselben Bildungstypus grenzt. Da­raus kann man folgern, daß dieses Areal eine Kontinuation des Bereiches der altpreußischen ONbildungstypen ist. Deshalb können die ,,-ing-is,-ė“-Bildungen als jatwingische Substrats­relikte betrachtet werden.

Die heutingen litauischen Familiennamen vom Typus Saulýnas, deren ursprünglicher Verbreitungsbereich mit dem Areal der -ingis-suffigen ON/GN zusammenfällt, sind typologisch (Suffix sicherlich auch etymologisch) mit den altpreußischen -yn-suffigen Personennamen (Antoryn, Dirsenyn, Kantewidyne) verknüpft und stellen als Bildungstypus die jatwingische Kon­tinuität dar.

Unsere obigen Ausführungen zeigen, daß die erfolgreiche Erforschung des jatwingischen Substratsnamengutes auf folgenden Prinzipien beruht: 1. auf der Stratifikation des Namengutes nach dem Substrat und Superstrat, 2. auf der beschränkten Anwendung der rein lexikologischen Methoden und 3. auf der vorzüglichen Anwendung der phonetischen Vergleichungs- und typologisch-arealen Methoden.

Die unentbehrliche Bedingung einer solchen Untersuchung u. E. ist die systembezogene Analyse.

DOI: 10.15388/baltistica.1.2.923

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