Iš lietuvių kalbos žodžių istorijos: 3. Lie. kùrmis

Birutė Kabašinskaitė, Gert Klingenschmitt

Anotacija


AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: 3. LIT. kùrmis

Zusammenfassung

1. Die Grundlage der baltischen und des germanischen Wortes für ‘Maulwurf’, lit. kùrmis, -io (se­kundär kurmỹs), lett. kur̃mis, sowie lit. kurnỹs, lett. kurnis, kur̃ne und ahd. skero m., mhd. scher m. (n-Stamm), nhd. bair. Scher ist, wie bis jetzt übersehen wurde, die in ai. kr̥̄ ‘ausschütten, ausgießen, ausstreuen, aufschütten, aufwerfen’ (im späteren Altindisch hinter bestimmten Präverbien skr̥̄) fortge­setzte urindogermanische Wurzel (s)kerh-. In der Spezialbedeutung ‘(einen Maulwurfshügel) aufschüt­ten, aufwerfen’ ist die Wurzel auch in ai. ākhukiri-, ākhukarīṣa- und ākhūtkará- ‘Maulwurfshügel, Maulwurfshaufen’ verwendet.

2. Lit. kùrmis, lett. kurmis ist auf ein mittels des die Zugehörigkeit bezeichnenden Suffixes *-ii̯a- < uridg. *-ii̯o- gebildetes *ˈkúrmia- ‘der zum Maulwurfshügel Gehörige’ zurückzuführen. Als Grund­wort ist ein Paroxytonon *ˈkúrma- < *kŕ̥h-mo- ‘das (vom Maulwurf) Aufgeschüttete, Maulwurfshügel’ anzusetzen. Dieses kŕ̥h-mo- ist durch oppositive Akzentverlagerung bei Substantivierung aus einem Verbaladjektiv *krh-mó- ‘aufgeschüttet’ hervorgegangen; zum Substantivierungakzent vgl. etwa lit. výras (1), lett. vĩrs ‘Mann’, ai. *vī́ra- ‘Mann’ (vorausgesetzt von den Komposita ai. suvī́tra- ‘gute Männer habend’, avī́ra- ‘keinen Mann, keine Männer habend’) neben ai. vīrá- ‘Mann’, das eine Substantivie­rung ohne oppositive Akzentverschiebung erfahren hat. Entsprechend ist als Grundlage der Nebenform lit. kurnỹs, lett. kurnis, kur̃ne letzlich ein Verbaladjektiv *kr̥h-nó- ‘aufgeschüttet’ anzunehmen.

3. Ahd. skero m., nhd. bair. Scher < urgerm. *skeron ist als Abkömmling eines Nomen agentis *skerh-on- ‘der (einen Erdhügel) aufschüttet’ zu deuten.

4. Die altindische Wurzel kr̥̄ zeigt Vollstufe I im Aorist akārīt und den Nomina kárīṣa-, ut-kará sowie Vollstufe II in dadhi-krā́(-van)-, Name eines göttlichen Rosses (vielleicht eigentlich ‘Molke [als Geifer] ausstreuend = ausfließen lassend’; das heißt ‘weißen Geifer ausfließen lassend’?) und rudhi-krā́- (eigentlich etwa ‘rotes [Blut] geifernd’). Eine baltische Entsprechung des altindischen -krā- dürfte in lett. krât, Prs. krãju ‘aufhäufen’ < *krā-i̯e/o- < *krah2-i̯e/o-, lit. apkroja ‘Gepäck’ (Sirvydas) < *api-krā-i̯ā- und lit. krósnis ‘Steinhaufen; Backofen (der ursprünglich aus aufgeschichteten Steinen bestand)’, lett. krâsns ‘Ofen’ < *krā-sni- ‘Stein-Aufschüttung’ (lett. krâsn-mata ‘Steinhaufen’, lit. krós-meta) vor­liegen. Die baltische Wortsippe *krā- hat sich nur geringfügig von der Ausgangsbedeutung der Wurzel entfernt: etwa ‘(ungeordnet) aufschütten’ > ‘in einer bestimmten Form aufschütten’. Die urindogermanische Wurzelansatz läßt sich bei Zugehörigkeit von balt. *krā- zu *(s)kerh2- präzisieren.

Mit der Wurzel *krah2- in lett. krât usw. stimmt in der Bedeutung überein die in lit. kráuti ‘aufhäufen, aufschichten, laden’ enthaltene Wurzel. Diese ist aus einer um -u- erweiterten Wurzelform *krah2- < *krah2+u (Metathese nach Laryngalumfärbung) herzuleiten.

5. Bei slav. *krъtъ (ursprünglich endbetont) ‘Maulwurf, Maulwurfshügel’ (vgl. skr. kȑt ‘Maulwurf’, das dialektisch auch in der Bedeutung ‘Maulwurfshügel’ gebraucht wird) ist auf Grund der Beleglage nicht zu entscheiden, ob von einem *kru-ˈta-  oder *kru-ˈtu- auszugehen ist. Unklar ist auch, welche der beiden Bedeutungen, ‘Maulwurf’ oder ‘Maulwurfshügel’, als ursprünglich zu gelten hat. Eine metonymische Übertragung der Bedeutung ist sowohl in der einen wie in der anderen Richtung möglich und durch Beispiele zu belegen. Die fehlende Plausibilität der bisherigen Etymologisierungsversuche und die Kenntnis des fürs Baltische und Germanische festgestellten Benennungsmotivs beim Wort für ‘Maulwurf’ legt den Gedanken nahe, daß ein wohl die Grundlage des slavischen Wortes bildendes *kru- als Wurzelvariante *kr+u- zu *kerh2-/ kreh2- und *kreh2+u- zu bestimmen ist. Eine vergleichbare Wurzelvariation ist etwa das Nebeneinander der Formen *ke-/ki- (lat. cĭtus; lat. ciē- wohl Umbildung eines *koē- < *koi̯-ei̯e/o- nach cĭtus),  *ki+h2- (gr. κίατο, μετ-εκίαϑε < *kiǝ2-), *ki+h2+u- (vielleicht in gr. κῑνέε/ο-, κῑ́νυ-) und k-+e-, *k+u- (ai. cyu-,  gr. hom. ἔσσυτο) bei Verben für ‘(sich) in Bewegung setzen’.

Ein eventuell die Vorform von slav. *krъtъ bildendes *kru-ˈta- wäre als ‘der aufgeschüttete (Maulwurfs-)Hügel’, ein ursprüngliches Abstraktum *kru-ˈtu- ‘Aufschüttung’ entweder als ‘aufgeschütteter (Maulwurfs-)Hügel’ oder als ‘der die Aufschüttung vornimmt, Maulwurf’ aufzufassen.


DOI: 10.15388/baltistica.41.2.971

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